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Alkoholismus ist die am meisten verbreitete Suchtkrankheit unserer Zeit. 40 000 Menschen sterben jährlich in der Bundesrepublik an den Folgen von chronischem Alkoholmißbrauch. Damit steht Deutschland an oberster Stelle im Vergleich der westlichen Welt bezüglich des Konsums von Getränken mit hohem Suchtpotential. 143 Liter Bier, 2,2 Liter reiner Alkohol und 23 Liter Wein oder Champagner werden pro Jahr und Mensch verbraucht 1.Auf der anderen Seite heißt es immer wieder, ein Gläschen könne nicht schaden, sei sogar gesund. Grund für diese Aussage: Es besteht ein Zusammenhang zwischen moderatem Alkoholkonsum und günstiger Gefäßprognose. Dabei scheint es von untergeordneter Rolle zu sein, ob der Alkohl nun als Wein, Bier oder in Form von Spirituosen aufgenommen wird 2. Ist völlige Abstinenz also out? Die biochemischen Hintergründe werden im folgenden erläutert. |
Wirkung von Alkohol auf die „guten“ Lipoproteine: HDL
Bei einer Alkoholbelastung über mehrere Wochen hinweg steigt die Aktivität der Lipoproteinlipase beim Stoffwechselgesunden ersichtlich an. Dieses Enzym ist an der Plasmamembran vieler Zellen lokalisiert. Es sorgt für die Spaltung der in Form von VLDL und Chylomikronen über Blutstrom angelieferten Triglyceride. Außerdem ermöglicht die Lipoproteinlipase ihre Aufnahme in die Zelle 3. Somit zeigen sich bei regelmäßigem Alkoholkonsum niedrigere VLDL- sowie postprandiale (lat.: nach der Mahlzeit) Chylomikronenspiegel als bei einmaligen Genuß.Wichtig dabei: Die Steigerung der Aktivität der Lipoproteinlipase bewirkt letzten Endes einen hypermetabolischen Stoffwechselzustand, da sowohl die Triglyceridsynthese als auch der Triglyceridabbau (gesteigerter Abbau von Chylomikronen und VLDL und Aufnahme von Triglyceriden in die Zelle durch die Lipoproteinlipase) erhöht wird.\r\n\r\nEine hohe lipolytische Aktivität kann wiederum die HDL-Bildung fördern, welches dann für die Gefäße gefährliches Cholesterin aufnimmt. Unabhängig durchgeführte Studien bekräftigen diese These: Es konnte eine HDL erhöhende Wirkung des Alkohols nachgewiesen werden. |
Wirkung von Alkohol auf „schlechte“ Lipoproteine: LDL
Grundsätzlich sind die Effekte von moderatem Alkoholkonsum auf die LDL-Spiegel als gering anzusehen, sie werden kontrovers diskutiert. Dennoch wird bei chronisch hohem Alkoholkonsum ein äußerst niedrig liegender LDL-Cholesterinspiegel beobachtet 4. So konnte eine erhöhte Low-Density-Lipoprotein-Rezeptorsynthese unter längerfristigem Alkoholkonsum bei Ratten nachgewiesen werden, welches die erhöhte Abbaurate bei Patienten erklären könnte.Außerdem zeigt der Alkoholmetabolit Acetaldehyd eine Wirkung auf die LDL-Abbaurate. Durch Acetaldehyd veränderte LDL-Metabolite unterliegen beim Menschen einem schnelleren Katabolismus 5. |
Das Französische Paradoxon
Das Phänomen „Französisches Paradoxon“ hat die Diskussion um den Stellenwert der Art des Alkohols angeregt. Eine besonders wichtige Rolle in Hinsicht auf eine gefäßschützende Wirkung wird dabei dem Rotwein zugeschrieben. Obwohl der Verzehr von gesättigten Fetten in Frankreich höher ist als zum Beispiel in Großbritannien, beträgt die Sterblichkeit an koronarer Herzerkrankung in Frankreich nur etwa ein Drittel der in Großbritannien beobachteten. Bei Männern in Japan, China und Frankreich ist der plötzliche Herztod besonders selten und hat in den letzten zehn Jahren gegenüber umliegenden Völkern um 26 Prozent abgenommen. Der entscheidende Unterschied hinsichtlich der Lebensweise: Franzosen trinken zehnmal mehr Wein als beispielsweise die Amerikaner und immerhin fünfmal mehr als Deutsche.In späteren Untersuchungen konnte tatsächlich nachgewiesen werden, daß phenolische Substanzen aus Rotwein die LDL’s vor Peroxidation schützen 6. Auch stieg die antioxidative Kapazität des Gesamtserums nach Genuß von 300 ml Rotwein erheblich stärker an als nach gleicher Menge Weißweins 7.\r\n\r\nZudem wird durch diese Forschungsergebnisse die Lehrmeinung von einer engen Beziehung zwischen dem Cholesteringehalt im Blut und koronaren Herzerkrankungen in Frage gestellt. Ein Rückblick zeigt die Hintergründe auf:\r\n\r\nDaß ein hoher Blutcholesterinspiegel schneller zum Tod durch Herzinfarkt führen kann, wurde schon vor fast 50 Jahren durch die statistische Auswertung der Untersuchungen an Einwohnern von Framingham (Vorort von Boston) errechnet. Dies führte zu der allgemeinen Lehrmeinung, Patienten mit einem Cholesterinspiegel von 240 mg/dl eine streng fettarme Diät – und bei ungenügendem Effekt eine zusätzliche Einnahme von cholesterinsenkenden Präperaten – anzuraten.\r\n\r\nMit zunehmenden Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet zeigte sich jedoch, daß der Gesamtcholesteringehalt eine äußerst schlechte Meßgröße für die Ermittlung des Herzinfarktrisikos darstellt. Die Aufspaltung der Cholesterinfraktionen brachte hier entscheidende Fortschritte. HDL – Schutzfaktor gegen Herzinfarkt – sollte demnach den Wert von 40 mg/dl im Blut übersteigen, LDL dagegen unter 180 mg/dl liegen. Die Diätempfehlungen bei zu hohem LDL-Spiegel blieben dennoch die gleichen, nämlich eine massive Reduzierung von Milch, Butter und Eiern zugunsten von pflanzlichen Fetten.\r\n\r\nErstmalig erschüttert wurde diese herrschende Meinung bereits vor 15 Jahren durch eine WHO-Studie, nach der die Menschen, die mit Tabletten gegen Blutverfettung behandelt wurden, eine schlechtere Lebenserwartung hatten als Unbehandelte. Das Französische Paradoxon wird nun einen erheblichen Anteil dazu beitragen, äußerst strenge Diätpläne zu lockern und dem Alkohol – insbesondere Rotwein – ein wenig offener gegenüberzustehen. Doch die Aussprache von Empfehlungen stellt ein heikles Thema dar, zu viel Schaden kann mit einem überhöhten Konsum ausgelöst werden. Langzeitwirkungen mäßigen Alkoholkonsums sind zudem noch nicht ausreichend erforscht. |
Wieviel Alkohol ist denn jetzt gesund?
Übermäßiger Alkoholkonsum erhöht das Risiko für Leberzirrhose, Brustkrebs, Krebs der Speiseröhre, des Magens und der Leber. Frauen reagieren empfindlicher auf Alkohol als Männer. Alkohol in der Schwangerschaft ist einer der häufigsten Gründe für geistige Behinderung bei Neugeborenen. Von psychischen Belastungen in der Familie oder die vielen Tausenden Verkehrstoten im Jahr – ausgelöst durch Alkohol – gar nicht zu sprechen.Dennoch: „Neuere Untersuchungen bestätigen alte Befunde, wonach geringe Mengen Alkohol (zwischen 10-40 g pro Tag) im Vergleich zu Alkoholabstinenz das Risiko für Krankheiten der Herzkranzgefäße verringern“so Prof. Günther Wolfram, Präsident der DGE 8.\r\n\r\nDie DGE empfiehlt, nicht mehr als 20 g Alkohol am Tag zu trinken. Das entspricht etwa 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein. Frauen sollten höchstens die Hälfte dieser Menge zu sich nehmen. Außerdem kann ein Schlückchen Traubensaft hier und da auch positive Wirkungen auf die Gefäße haben: Genauso wie im Rotwein sind auch hier antioxidativ wirksame Substanzen enthalten. |